Heutzutage muss man das Rad wirklich nicht permanent neu erfinden. Man muss keine eigene Mikrocontroller-Schaltung entwickeln, um die wichtigsten Umweltdaten zu erfassen. Man nehme schlicht ein passendes µC-Board samt fertiger Zusatzplatine mit Sensoren, stecke das zusammen und braucht dann „nur“ noch die Software zum Auslesen der Sensoren zu stricken.

Will man etwas Luxus wie etwa WLAN etc. haben, drängt sich der Einsatz des am meisten verbreiteten Single-Board-Computers auf: Ein Raspberry Pi bringt neben überflüssig viel Leistung mehr als alles mit, was man dazu brauchen könnte. Von besonderem Vorteil ist, dass es dafür fertige Aufsteck-Platinen in Form passender HATs (Hardware Attached on Top) gibt, die ein Sammelsurium unterschiedlicher Sensoren mitbringen. Der besondere Vorteil neben der sehr reduzierten Hardware-Bastelei ist: Passende (Python-)Bibliotheken zum Ansprechen dieser Hardware samt Sensoren werden in aller Regel mitgeliefert.

Enviro+

So ist das auch bei Enviro+, einem kleinen HAT im Format des Raspberry Pi Zero W, der aber dank Kompatibilität zum 40-poligen Erweiterungs-Header auf fast alle RPi-Modelle passt.

Geliefert bekommt man ein kleines Antistatik-Tütchen mit Aufkleber und nochmal Polsterfolie um die kleine HAT-Platine (Bild 1) – sonst nichts. Im Sinne der Papierersparnis ist nicht einmal ein kleines Zettelchen dabei. Alle Dokumentation steht im Netz. Aber da muss man erst einmal hinkommen.
 

Bild 1. Der „Lieferumfang“: Platine in der Tüte.


Das kann man so machen, aber netter wäre es in Zeiten der ubiquitären Smartphones gewesen, der URL zur Dokumentation wäre auch als QR-Code o.ä. aufgedruckt worden – der Barcode enthält jedenfalls leider keinen Link. Schön wäre es außerdem gewesen, der abgedruckte URL wäre durch einen URL-Shortener gelaufen, damit man nicht so viel (fehlerträchtig) abtippen muss. Und am schönsten wäre es gewesen, der URL würde auch zu einer sinnvollen Webseite führen, statt die schöne Meldung „HTTP/1.0 404 Not Found“ auszugeben. Sarkasmus ist an dieser Stelle angebracht, denn so ein Fehler sollte nicht sein.

Features

Enviro+ ist mit folgender Elektronik bestückt:

  • BME280, Sensor für Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchte
  • LTR-559, Licht- und Näherungssensor
  • MICS6814, Analoger Gassensor
  • ADS1015, A/D-Konverter
  • SPH0645LM4H-B, MEMS-Mikrofon
  • 0,96" OLED-Farb-Display mit 160 × 80 Pixel
  • Anschluss für optionalen Feinstaub-Luftsensor PMS5003 

Zusammenstecken

Wie dem auch sei: Zusammengebaut ist die Messstation schnell. Einfach Platinchen aus dem Tütchen holen und auf einen RPi gesteckt – fertig. Fast…

Hat man ein RPi Zero W, dann ergibt sich nach dem Zusammenstecken (mit passenden Abstandshaltern) ein schön kompaktes Modul (Bild 2), das sich prima in ein kleines Gehäuse einbauen lässt. Das vorgesehene Original-Gehäuse ist da weniger praktisch, denn es sollte viel Luft an das Sandwich, sonst stimmen die Messungen eher weniger. Und will man auch Helligkeit erfassen, sollte es zudem durchsichtig sein. 
 

Bild 2. Zusammen mit einem RPi Zero W ergibt sich ein kompaktes Sandwich.


Da Enviro+ auf auf einen „normalen“ RPi passt, habe ich ihn auf einen RPi 3B+ gesteckt, der gerade nichts anderes zu tun hatte. Dabei zeigt sich schnell, dass der Deckel des Alugehäuses abgemacht werden muss (Bild 3), damit genug Luft und Licht an die Sensoren des Enviro+ kommt. 
 

Bild 3. Bei einem RPi 3 oder 4 muss der Deckel ab, wenn das Board in ein blickdichtes oder gar ein Metallgehäuse eingebaut ist.


Doch was man da erblickt, das sind Kühlkörper auf den Chips. Besonders der Größere auf dem SoC macht bei vielen HATs Streß – so auch beim Enviro+. Man muss das kleine Platinchen daher sicherheitshalber mit einem kleinen Stück Tesa isolieren (Bild 4), damit es keine Kurzschlüsse gibt, wenn man sie auf den RPi steckt. 
 

Bild 4. Die Unterseite des Enviro+ wurde mit einem Stückchen Klebestreifen gegen Kurzschlüsse gesichert.


Dann endlich kann Enviro+ auf den 40-poligen RPi-Header gesteckt werden (Bild 5). Auf diesen Stecker ist man aber nicht beschränkt. Vorne an der Platinenkante sind beschriftete Pads, über die man an ein paar relevante Signale gelangt.
 

Bild 5. Enviro+ mit Tesa gesichert auf einem RPi 3B+.


Dokumentation und Beispiele

Auf der Webseite von Pimoroni findet man die Dokumentation doch, auch wenn der fehlerhafte Link auf der Tüte das verhindern will. Dafür ist sie sehr gut gemacht und informiert auch grundlegend über die vorhandenen Sensoren sowie darüber, wie deren Werte zu interpretieren sind.

Besonders gut ist, dass dort auch auf Anleitungen verlinkt wird, wie man auf einfache Weise die grundlegende Installation eines RPi vornimmt, was für viele Anfänger sehr hilfreich ist. Anschließend wird gezeigt, wie man mit ein paar Terminal-Befehlen die Zusatz-Software für Enviro+ samt Python-Library und „Examples“ installiert. Das geht fix und schon kann man die Beispiele Ausprobieren. Die Bilder 6 bis 9 zeigen die Bildschirmausgabe von vier Beispielen.
 

Bild 6. Ausgabe von Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchte, gemessen vom BME. Der SoC des RPi heizt dem Sensor ganz schön ein.
 
Bild 7. Ein weiteres Beispiel kompensiert die Abwärme des RPi und gibt realistische Temperaturen aus.
 
Bild 8. Das Beispiel mit dem Licht- und Näherungssensor gibt immerhin die Beleuchtung in Lux aus – auf Annäherung reagierte die Ausgabe nicht.
 
Bild 9. Der Gassensor besteht faktisch aus drei Sensoren, die unterschiedliche Luftbestandteile erfassen. Die Ausgabe in Ω ist ungewöhnlich und müsste noch umgerechnet werden.


Das kleine Display (Bild 10) ist besonders dann hilfreich, wenn man die Elektronik an einer geeigneten Stelle platziert und vor Ort ihren Zustand oder die Messwerte prüfen will.
 

Bild 10. Das Display kann mit beliebigen Inhalten gefüttert werden. Auch hierfür stehen Python-Funktionen bereit.


Fazit

Mit dem Enviro+ kann man wirklich auf einfache Weise eine preiswerte Station zum Erfassen von Umweltdaten realisieren. Dank einer passenden Python-Library ist die Abfrage der Sensoren etc. ziemlich einfach. Die aus ein paar Code-Zeilen bestehenden Beispiele helfen dabei.

Doch das ist noch nicht alles. Auf der Pimoroni-Webseite findet sich auch noch eine komplette Bauanleitung für eine Luftmessstation mit Anbindung an die Cloud „luftdaten.info“. Übrigens kein Wunder, dass die meisten privaten Luftvermesser in D beheimatet sind ;-)

Alles in Allem würde ich sagen: Gut gemacht!